Äthiopien (3. – 9. Oktober 2012)
Wir stehen früh auf und fahren zur Grenze. Dort ist wieder einmal nichts angeschrieben, aber es wollen uns alle helfen und sagen uns, wo die verschiedenen Büros liegen. Nägi fragt noch bei einem Offiziellen nach und der schickt uns auch zuerst ins Security Office gut 150m entfernt. Dort müssen wir die Pässe zeigen und das wars dann aber auch schon. Weiter geht es ins Custom Office. Das geht relativ zügig und wir erhalten den Stempel fürs Carnet. Dann noch schnell ins 50m entfernte Immigration Office, wo wir nur kurz auf unsere Ausreisestempel warten und schon sind wir über der Grenze. Ein Sudanese begleitet uns und zeigt uns die zuständigen Büros auf der äthiopischen Seite. Bald haben wir die Einreisestempel für Äthiopien im Pass und auch die Abfertigung des Carnets geht wunderbar schnell. Das offizielle Empfehlungsschreiben der Schweizer Botschaft will niemand sehen. Nägi möchte dem Sudanesen noch etwas Trinkgeld geben, was dieser aber freundlich ablehnt und uns eine gute Weiterreise wünscht. Nach gut einer Stunde Papierkram sind wir bereits in Äthiopien und können los fahren. Der Grenzort Metema ist vollgestopft mit Leuten und viele winken uns zu. Wir fahren 2-3 Kilometer und wollen noch das Guthaben der sudanesischen SIM-Karte mit einigen Gesprächen nach Hause aufbrauchen. Danach fahren wir durch eine wunderschön, saftig grüne und hügelige Landschaft. Jeder Flecken Land wird landwirtschaftlich genutzt. Allerdings werden die meisten Arbeiten noch von Hand und mit der Hilfe von Ochsen und Eseln erledigt.
Was gleich zu Beginn auffällt, sind die unheimlich vielen Menschen, welche die Strassen bevölkern und uns zurufen oder winken. Wir fahren bis nach Gonder, wo wir im Goha Hotel einchecken. Nach der sudanesischen Hitze ist es mit 25 Grad angenehm kühl. Nach einer kurzen Dusche besichtigen wir die Palästen der äthiopischen Kaiser des 17. Und 18. Jahrhunderts. Ein gut ausgebildeter Guide führt uns durch den riesigen, faszinierenden Komplex. Die Bauten erinnern an grosse europäische mittelalterliche Burgen. Sie wurden in einer der bedeutensten Perioden der äthiopischen Geschichte erstellt und machen klar, dass die abessinischen Herscher mitten in Afrika den europäischen Königen in nichts nachstanden.
Nach der Führung schlendern wir noch ein wenig durch das Städtchen und über die Piazza, bevor wir zurück ins Hotel fahren und von dort die Aussicht über Gonder bestaunen.
Wir gönnen uns einen Drink auf der Terrasse. Nach der (auch alkoholischen) Dürreperiode im Sudan geniesst Nägi ein wohl verdientes Bierchen. Wir wechseln bald in die Bar, da es draussen einfach zu kalt wird. Im Restaurant gibt es dann ein erstes äthiopisches Nachtessen mit einem Glas Wein. Da es wirklich abgekühlt hat, freuen wir uns auf die warme Bettdecke.
Es ist sehr kühl im Zimmer als um halb 8 der Wecker los geht. Die heisse Dusche wärmt uns auf und wir gehen ins Restaurant frühstücken – French Toast und Porridge. Danach fahren wir weiter durch die Bilderbuchlandschaft in Richtung Lalibela. Wir befinden uns bald auf über 3000m über Meer. Trotz der Höhe ist aber immer noch alles grün und auch die Baumgrenze ist noch lange nicht erreicht. Auch heute sind überall Menschen und Tiere auf der Strasse unterwegs. Wir überholen Hunderte (!) von Schaf-, Kuh- oder Ziegenherden, aber auch immer wieder Gruppen von Menschen. Die kleinen Kinder winken uns zu, rufen “You, you”, “Sister” oder “Hello” und strahlen über das ganze Gesicht. Zuerst meinen wir, dass sie Geld oder Süssigkeiten von uns wollen. Bald merken wir aber, dass Touristen abseits der klassischen Touristenorte eher selten sind und sich einfach alle wahnsinnig freuen, dass wir Äthiopien besuchen… Wir fühlen uns teilweise etwas wie im Zoo. Allerdings nicht als Besucher sondern als Attraktion…
Die Fahrt nach Lalibela ist wie eine lange Passfahrt in der Schweiz. Viele Kurven, saftig grüne Weiden mit Tieren und kleine Bergbäche. In Lalibela steuern wir wieder ein Hotel an. Die Hotelpreise sind zu vernünftig und zum Campieren ist es uns etwas zu kühl. Wir beziehen unser kleines Häuschen (Tukul) mit modernem Bad, essen im Hotelrestaurant und gehen früh schlafen.
Heute wollen wir die Felsenkirchen von Lalibela besichtigen. Wir gehen frühstücken und der nette Kellner organisiert uns einen Guide auf 10:00 Uhr. Wir geben noch etwas Wäsche zum Waschen und um Punkt 10:00 Uhr begrüsst uns Derebe. Wir gehen zu Fuss zum Ticket Office und registrieren uns. Zuerst besichtigen wir die nördliche Gruppe mit drei Komplexen von Kirchen. Wir sind beeindruckt von den einmaligen Bauten und Derebe weiss sehr viel zu erzählen. Die Felsenkirchen sind im 12. und 13. Jahrhundert durch die Könige der Zagwe-Dynastie in das rote, weiche Tuffgestein gehauen lassen worden. Nichts an den Kirchen wurde gebaut, wie wir uns das beim Häuserbau gewohnt sind. Normalerweise wurde zuerst das Kirchenäussere von oben her aus dem Stein gemeisselt, dann entstanden Türen und Fenster, durch welche dann die Arbeiter langsam das Kircheninnere ausgehöhlt haben. Das ganze Gebäude besteht so eigentlich aus einem Stein. Funktioniert etwa so wie heute die 3D-Drucker. Einfach etwas aufwändiger…
Nach der nördlichen Gruppe besuchen wir noch die berühmte Georgs-Kirche, welche die Form eines griechischen Kreuzes hat. Danach gibt es ein kurzes Mittagessen. Injeera, eine Art Fladenbrot, das wie ein grauer Schwamm aussieht und auch ein bisschen so schmeckt, mit verschiedenen Saucen, Kartoffeln und Tomaten. Anschliessend fahren wir durchs Städtchen auf der Suche nach einem Bankomat und finden eine Bank. Als Lex sich erkundet, wo es einen ATM gibt, wird sie gleich ns Hinterzimmer geführt. Dort kann via ein VISA-Gerät per Kreditkarte Geld abgehoben werden (das alte Ritsch-Ratsch-Ding). Schade, entdecken wir den ATM bei der Nachbarbank erst im Nachhinein…
Um 15:00 Uhr holt uns Derebe wieder im Hotel ab und wir besichtigten noch die Kirchen der östlichen Gruppe. Diese sind uneinheitlicher und grober gestaltet und zum Teil mit unterirdischen Gängen verbunden. Einer führt uns durch einen 50 Meter langen, absolut stockdunklen Gang. Er soll den Weg von der Hölle in den Himmel symbolisieren. Es fühlt sich etwas komisch an. Wir schauen daher, dass wir nie in die Hölle kommen…
Die Bauten sind sehr, sehr eindrücklich. Neben der äusserst bekannten Georgs-Kirche, gefällt uns besonders die Bete Abba Libanos, welche an allen vier Wänden, aber nicht beim Dach vom Felsen befreit worden ist.
Danach begleitet uns Derebe zurück ins Hotel, wo wir unser frisch gewaschenes Auto vorfinden. Wir gehen noch kurz Wasser kaufen und essen am Abend wiederum im Hotelrestaurant.
Wir stehen früh auf, da wir heute bis nach Addis Abeba fahren möchten. Nach dem Frühstück landen wir mit Hilfe des GPS bald irgendwo auf einer Schotterpiste , welche aber leider nirgendwo auf unseren Karten eingezeichnet ist. Wir fahren trotzdem mutig weiter. Die Piste wird immer schlechter, die Gegend immer ländlicher und alle Menschen und nicht nur die Kinder winken uns nun zu, wenn wir vorbei fahren. Lex fühlt sich wie die Queen of England. Allerdings hat die dauernde Winkerei auch ihre Tücken und fast muss Nägi am Abend im Hotel den Tennis- bzw. Winkarm von Lex mit Dul-X behandeln… Wir durchqueren Bäche und brauchen immer wiedermal den Low-Range 4×4 auf den steinigen Pisten. Wenigsten freut sich Nägi… Wir sind erstaunt, wie viele Leute mit Vieh und Eseln in diesem Hinterland unterwegs sind. Es sieht zum Teil aus wie kleine Völkerwanderungen. Nach gut 20 km Fahrt, für die wir fast eine Stunde brauchen, gelangen wir in eine kleines Dörfchen und sehen endlich auch wiedermal andere Fahrzeuge. Bald werden die Strassen besser und wir bringen die letzten 30km Schotterpiste relativ zügig hinter uns. Auf der Teerstrasse kommen wir dann wieder schneller voran, obwohl wir auch hier wegen den Menschen, Eseln, Kühen, Schweinen, Kamelen, Geissen, Schafen, Hunden, Hühnern und Katzen immer wieder sehr langsam fahren müssen (empirisch belegt: Hühner sind am schlimmsten. Bewegen sich schnell und völlig kopflos…). Wir fahren immer wieder durch lebendige Dörfer und sind fast immer über 3000 Meter über Meer unterwegs. Teilweise steigt die Strasse auf über 3300 Meter an und je höher wir kommen, desto beeindruckender wird die Russ-Fahne, die der Landy hinter sich herzieht. Die Strassen sind grösstenteils gut, aber immer wieder bremsen uns Schlaglöcher und Lastwagen, welche die Steigungen mehr kriechend hinter sich bringen. Auch andere Hindernisse sind uns im Weg.
Wir schaffen die 700 Kilometer nach Addis Abeba nicht ganz und suchen uns kurz nach Sonnenuntergang in Dinar Berbere ein Hotel. Wir übernachten im gemäss einem hilfsbereiten Äthiopier “nearly 5 star hotel” des Ortes und bezahlen dafür gerade mal CHF 20.- (Doppelzimmer inklusive Frühstück). Beim Abendessen (Spaghetti & Burger) merken wir, dass es uns ein wenig trümmlig ist. Lex macht die Höhe langsam etwas zu schaffen und sie entschliesst sich daher die Nacht nicht im Bett, sondern auf der Toilette zu verbringen…
Lex geht es auch nächsten Morgen nicht wirklich besser. Darum verlassen wir das Hotel ohne Frühstück, essen im Auto ein paar Darvida und trinken viel Wasser. Wir sind nur noch etwa 120 km von Addis entfernt. Schneller als erwartet kommen wir vorwärts und bereits am frühen Vormittag sind wir in der Hauptstadt. Hier wollen wir einkaufen, Geld holen und dann weiter an den Lake Langano. Wir kaufen im Supermarkt Lebensmittel und holen bei einem ATM Geld. Dort treffen wir zufälligerweise auf einen Deutschen, der schon seit mehreren Jahren in Addis wohnt. Danach kauft Lex an einem Marktstand noch Brot, Früchte und Gemüse. Es ist sehr viel los in Addis und da Lex immer noch nicht 100% fit ist, sind wir froh, als wir wieder aus der Stadt raus sind. Wir fahren noch gut 180 Kilometer in den Süden. Die Landschaft wird immer flacher, aber nicht weniger spannend. Beim Lake Langano steuern wir den Karkaro Beach Camping an und finden einen hübschen Platz direkt am See.
Zuerst wird der gröbste Staub rausgeputzt und dann gibt es Gurken-Tomaten-Zwiebel Salat und Brot. Lex erkundet ein wenig das Gelände und findet ein Duschhäuschen. Leider ist das Wasser ziemlich kalt und die Dusche wird zu einer qualvollen Schlotterpartie. Wir geniessen den Abend mit Lesen und gehen früh schlafen, da wir beide von letzter Nacht ein kleines Schlafdefizit haben. Der See ist sehr rau und es fühlt sich an, als würden wir bei Meeresrauschen einschlafen.
Nach gut 10 Stunden Schlaf stehen wir um 7:00 Uhr auf. Die Sonne scheint, wir kochen Wasser für Tee und für eine Katzenwäsche und machen Frühstück mit Corn Flakes, frischem Fruchtsalat, Brötchen, Tee und Mangosaft. Danach packen wir alles zusammen und fahren los. Lex schenkt einem vorbeikommenden Äthiopier noch das restliche Brot und ein paar Bananen. Er freut sich riesig und bedankt sich mit heftigem Winken. Die Fahrt geht wieder durch wunderschöne Landschaften. Irgendwann müsste Nägi mal aufs Klo. Allerdings geht es nicht übertrieben 200 Kilometer, bis endlich ein scheinbar unbevölkerter Abschnitt auftaucht. Meinen wir. Kaum angehalten, stürmen ein paar Kinder aus dem Busch und begrüssen uns. Eine Minute später treffen noch ein paar Erwachsenen ein, weche fragen, ob sie uns helfen können. In kürzester Zeit sind wir an diesem vermeintlich einsamen Abschnit von 20 Menschen umgeben. Wir geben vor, bloss kurz die Beine zu vertreten und fahren ohne WC-Stopp weiter. Im nächsten grösseren Ort finden wir ein Hotel mit Terrassenrestaurant. Wir essen eine Pizza und gehen kurz aufs WC, obwohl die Anlagen wohl die hässlichsten sind, die wir auf unserer gesamten Reise bis jetzt angetroffen haben… Danach fahren wir noch gut 100km bis nach Yabelo. Unterwegs sehen wir noch einen Kamelmarkt und die Landschaft wird immer steppenartiger. Wunderschön! In Yabelo fängt es an zu regnen. Wir finden einen Abzweiger zu einer Lodge und sind – wen wunderts – die einzigen Gäste. Die Zimmer sind aber wirklich schön gemacht, kosten demensprechend aber leider auch etwas mehr. Dafür gibt es Spaghetti, Krautsalat und Banane zum Abendessen, im Preis inbegriffen natürlich. Morgen geht es dann noch gut 200km bis zur Grenze nach Kenya.